KiSS und KompIK, für viele hört sich das eher nach Musikgruppen als nach einer qualifizierten Schulvorbereitung an. Aber weit gefehlt.
Kiss bedeutet Kindersprachscreening und ist ein Verfahren zur Überprüfung und Beobachtung des Sprachstandes der vier- bis viereinhalbjährigen Kinder. Unter Kompik, Kompetenzen und Interessen von Kindern, versteht man ein Modellprojekt zur qualifizierten Schulvorbereitung.
Insgesamt wurden 29 Modellstandorte mit 29 Grundschulen und 54 Kinderbetreuungseinrichtungen ausgewählt, um an diesem Modellprojekt teilzunehmen. Vier Bereiche werden im Besonderen berücksichtigt: Förderung der sprachlichen Bildung und Entwicklung, Bewegung und Motorik, soziale Kompetenz und Lebenspraxis sowie die Stärkung der lernmethodischen Kompetenz. In regelmäßigem Abstand werden den vierjährigen Kindern im Jahr 2012 und 2013 Fragen und Aufgaben aus den genannten Bereichen gestellt. Das Ergebnis wird per Computer anonymisiert notiert und am Ende des Projektes ausgewertet.
Nun ist fast ein Jahr vergangen und es wird ein Resümee gezogen. Dr. Jürgen Wüst und seine Kollegen besuchen nach und nach die Modellstandorte, um Näheres über die Erfahrungen und die Integration in den Alltag zu erfahren. Dabei beleuchten sie die Seiten des Kindergartens, der Schule und der Eltern. So versammelten sich auch am 28. Mai 2013 die Vertreter der drei Seiten und tauschten sich mit Herrn Dr. Wüst aus. Der Kaffeetisch war perfekt gedeckt und die Sonne ließ sich nach langer Zeit wieder blicken. Nach einer Führung durch den Kindergarten konnte der Austausch beginnen. Frau Michaela Hage, Leiterin des Kindergartens Pfiffikus in Modautal Ernsthofen führte durch eine Präsentation, die Fragen beantwortete, aber auch immer wieder neue Fragestellungen aufwarf.
In der Zielsetzung waren sich alle einig: die Früherkennung sprachlicher Probleme, die Stärken der Kinder zu fördern und die Benutzung eines gemeinsamen Systems, dass alle verwenden können. Der Aufwand von zehn Minuten pro Kind hält sich sehr gering, wenn man sich den Nutzen vor Augen führt. Der Fragebogen bietet eine gute Gesprächsgrundlage in den Eltern- wie auch Teamgesprächen. Gerade in den Elterngesprächen ist so eine Sachlichkeit gegeben, die sehr hilfreich ist. Die qualifizierte Schulvorbereitung ist ein sehr wichtiges Instrument, um den Kindern den Übergang vom Kindergarten in die Schule zu erleichtern.
Laut einer Studie haben 25% der Kinder Probleme bei diesem wichtigen Schritt und benötigen Unterstützung. Eine Schul-AG, der regelmäßige Besuch der Schule, ein Kennenlerntag, der Vorlesetag und viele weitere Projekte sollen den Kindern helfen. Aber die Umsetzung ist schwer. Zu wenig Personal im Kindergarten und in der Schule sowie die Verbindung zweier komplett verschiedener Systeme lassen die Verwirklichung dieser Idee in weite Ferne rücken.
Ein großes Problem sieht Frau Hage in der zu frühen Vorbereitung der Kinder auf die Schule. Vier- bis Fünfjährige sind noch ganz und gar auf das gemeinsame Spielen fixiert, so ein Punkt in ihrer Präsentation. Das Spiel, durch das die emotionale, soziale, motorische und kognitive Intelligenz aufgebaut wird, ist die Grundlage der frühkindlichen Bildung. Im Kindergarten Pfiffikus wird das Vorlesen als Sprachförderung intensiv genutzt. Mehrmals pro Woche gibt es spezielle Vorlesezeiten. Die Erzieherinnen sind geschult in der Konleb Sprachförderung, die auf Kinder mit Migrationshintergrund und sprachauffällige Kinder ausgerichtet ist, und der Makkaton Gebärdensprache.
Von allen Kindern und durch alle Altersschichten wird die Vorlesestunde von Frau Borchert, einer Lehrerin der Modautalschule, intensiv genutzt. Es finden sich immer wieder neue Gruppenzusammensetzungen und die Kinder bauen so ihren ersten Kontakt zur Schule auf. Am Vorlesetag besucht eine Klasse den Kindergarten und liest in kleineren Gruppen eine Geschichte vor. Die „Kleinen“ können es meistens kaum fassen, dass Kinder, die kaum älter sind als sie und in manchen Fällen sogar zu ihren ehemaligen Kindergartenfreunden zählen, schon lesen können. Weitere Aktivitäten, wie das Zahlenland, das Würzburger Sprachprogramm, die Schulbesuche, der Erste-Hilfe-Kurs und interessante Ausflüge machen das letzte Kindergartenjahr zu etwas Besonderem.
Frau Hage fasst es am Ende ihrer Präsentation treffend zusammen: „Die gesamte Kita-Zeit ist eine Vorbereitung für das Leben, die Schule ist die nächste Station auf ihrem Lebensweg!“ Die Schulanfänger des Kindergarten Pfiffikus können getrost in die Ferien gehen. Sie haben die Schule sowie bereits einige Lehrer, und den Schulablauf mit Pausen und Unterrichtszeit kennengelernt und wissen, dass sie nach den Ferien wieder auf ihre alten Freunde treffen werden. Wie sich das Projekt auf die Schulzeit des Modelljahrgangs auswirken wird, lässt sich erst nächstes Jahr feststellen. Bis dahin müssen wir uns gedulden. Aber es lassen sich bereits jetzt viele positive Punkte diesem Projekt abgewinnen. Der Kindergarten Pfiffikus wird auch nach Ende des Modellprojektes die Fragebögen weiter führen. Für alle Kinder ab vier.
Dennoch muss an einigem noch gearbeitet werden. Der Personalschlüssel bedarf auf beiden Seiten der Verbesserung. Ganz konkret fordern Frau Hage und Frau Janine Schneider, die Konrektorin der Modautalschule, dass mehr Stunden zur Verfügung gestellt werden. Die Vor- und Nachbearbeitung wie auch die direkte Arbeit mit den Kindergartenkindern stellt einen Zusatzaufwand dar, der in das normale Arbeitskontingent eines Lehrers nicht integrierbar ist. So oder so stellt dieses Projekt eine wahre Chance für den Kindergarten, die Schule und die Eltern dar. Darüber sind sich am Ende alle einig. Wie immer bei Modellprojekten muss noch an der Umsetzung gefeilt werden. Für interessierte Eltern gibt es ab Herbst die Möglichkeit, einen speziell für sie entwickelten Kompik-Bogen zu beantworten.
Nähere Informationen zu diesem Modellprojekt finden Sie unter www.qsv.hessen.de